Mit Unterstützung aus dem Engadin ist in etwa 800 Arbeitstagen der längste jemals gewobene Schal der Welt entstanden. Hinter diesem Projekt steht ein Textilfachmann mit einer besonderen Geschäftsidee.
Samedan. – Qiviut und Yangir sind Materialien aus der Arktis und aus den Hochgebirgen Zentralasiens, die nur in kleinsten Mengen – einige 100 Kilogramm pro Jahr – erhältlich sind. Qiviut ist das isolierende Fell des kanadischen Moschusochsen und gilt als wärmer, weicher und leichter als Kaschmir. Yangir ist das noch seltenere Flaumhaar des sibirischen Steinbocks. Aus diesen exklusiven Materialien ist in Nepal der längste gewebte Schal der Welt entstanden.
Die idee zweier Spezialisten
Der Textilfachmann Walter Notter aus Samedan begleitet seit mehr als 30 Jahren diverse Textilprojekte in Nepal und arbeitet seit zehn Jahren mit Qiviut und Yangir. Im Dezember 2010 hat Notter eine kleine Spinnund Webschule im Kathmandutal ins Leben gerufen. Hier entstand auch die Idee für den Rekordschal. «Mein Meisterweber Tej Narayan hat in diesem Frühjahr die beiden höchstdotierten Auszeichnungen für seine Webkunst erhalten. Aus diesem Anlass beschlossen wir, dieses Projekt zu verwirklichen», erzählt Notter.
167 Meter edelstes Material
15 Spinnerinnen sind während insgesamt 750 Arbeitstagen damit beschäftigt gewesen, die Schussfäden aus Qiviut, Yangir und Baby-Yak zu verspinnen. Pro Tag konnten nur etwa sieben bis zehn Gramm Garn versponnen werden. Das entspricht einem 350 bis 500 Meter langen Faden. Während fortlaufend neues Garn versponnen wurde, entstand unter den Händen zweier Weber innert 70 Tagen der Schal in vier verschiedenen Designs. Am 13. November war es dann so weit, und der Meisterweber konnte unter Beisein aller Mitarbeiter den Schal vom Webstuhl trennen. Der spannendste Moment war dann wohl das Nachmessen. Erst nach 167-mal Drehen des Meterstabes kam das Ende des Schals. «So haben die Augen meines Webers noch nie gestrahlt», erinnert sich Notter. Immer wieder habe er in die Hände geklatscht und getanzt vor Freude.
Der Schal wird in 71 Stücke zerteilt
Doch was geschieht nun mit diesem längsten gewebten Schal der Welt? Noch bis am 31. Dezember wird das exklusive Handwerk im Lamm Cashmere House in St. Moritz der Öffentlichkeit präsentiert. Vom 3. bis 17. Januar 2015 wird der längste jemals gewobene Schal in La Boutique im «Grand Resort» in Bad Ragaz zu sehen sein. Nach diesen beiden Ausstellungen geht der Schal nach Nepal zurück. Dort wird er in 71 Teile von 70-mal 210 Zentimeter konfektioniert und mit einer Limited-Edition-Nummerierung zum Verkauf angeboten. Von jedem Schal gehen zehn Prozent an ein neues Projekt zur Erweiterung der Spinnschule ausserhalb von Kathmandu. «Ich hatte schon Reservationen, noch bevor wir mit dem Schal begonnen haben», erzählt Notter.
«Ein Völker verbindendes Unikat»
Für den Textilfachmann ist der Schal viel mehr als nur eine Kuriosität aus luxuriösem Material. «Ich sehe diesen Schal als ein Völker verbindendes Unikat, das möglichst vielen Menschen Freude bereiten sollte», sagt er. Der Schal könne als eine Brücke betrachtet werden, der die Himalayaregion mit unseren Bergen verbinde. «In diesem Handwerk können wir auch die Bescheidenheit, Fröhlichkeit und das strahlende Lächeln der Menschen aus Nepal wiederfinden», meint er.
Quelle: Die Südostschweiz